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Gewalttätige Auseinandersetzungen und die Veränderung des politischen Klimas ab 1986

Verlief der Widerstand gegen die WAA lange Zeit im Allgemeinen weitgehend friedlich, so war es nicht zuletzt eine Folge des Reaktorunfalls in Tschernobyl, dass die useinandersetzungen an Militanz gewannen. Den kampfbereiten „Chaoten“ standen nicht wenige oberpfälzer Normalbürger dabei wohlwollend gegenüber, wenn man sich näher kennengelernt hatte, übernahmen die Aktivisten vom „Schwarzen Block“ doch einen Part, den man sich selbst nicht zu spielen traute. Wenn manche Normalbürger unter den WAA-Gegnern den Militanten und deren Aktionen vielleicht auch keine Sympathie entgegenbrachten, so wuchs bei nicht wenigen doch das Verständnis für sie. Dass die Polizei im Laufe der Auseinandersetzungen im Umfeld des Baugeländes die per Völkerrecht verbotenen CN- und CS-Gase sowie Blendschockgranaten und Gummischrotgeschosse einsetzte und es auch sonst wiederholt zu diversen behördlichen Überreaktionen und fragwürdigen Vorgehensweisen kam, kostete die öffentliche Ordnungsmacht ganz erheblich an Ansehen. Man widersetzte sich im Kreis der WAA-Gegner vor allem nach außen hin allen eventuellen Versuchen, den Widerstand zu „spalten“. Daher waren viele Gruppen auch nicht bereit, in einen von der Polizeiführung angebotenen Dialog mit den Ordnungskräften zu treten. Zu weitverbreitet war das Misstrauen gegenüber Letzteren, zumal als es seitens auswärtiger Polizeikräfte wiederholt zu brutalen Übergriffen gegen friedliche Demonstranten gekommen war.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


"Hubschrauberangriff" auf das Osterzeltlager 1986 und auf Motorradfahrer in der Nähe des Zeltlagers

 

Die Maßnahmen der Bayerischen Staatsregierung gipfelten schließlich in eines Rechtsstaats unwürdigen und unakzeptablen Maßnahmen, etwa einem Diskussionsverbot für Polizisten mit Demonstranten durch den damaligen bayerischen Innenministers Karl Hillermeier (17.02.1986), in offenkundiger Zensur missliebiger Fernsehsendungen („Scheibenwischer“), schließlich sogar in der zeitweiligen Schließung der bayerischen Landesgrenze nach Österreich, um dortigen WAA-Gegnern die Einreise nach Bayern, konkret in den Raum Wackersdorf zu verweigern und sie dadurch an der Wahrnehmung ihres demokratischen Grundrechts, gegen die WAA zu demonstrieren, zu hindern. Eine besondere Rolle spielte nicht zuletzt gerade auch die martialische Ausrüstung der Polizei sowie der Einsatz von Polizeihubschraubern sowie eben auch von aggressiv auftretenden Sondereinheiten der Polizei gegenüber friedlichen Demonstranten, die Aversionen und Erbitterung bei breiten Teilen der Bevölkerung - und hier wohl nicht nur bei den WAA-Gegnern – hervorriefen.

Polizeiliche Aufrüstung - Wasserwerfer und Wasserwerfereinsatz, oft mit CN- und CS-Gas. Rechts in Aktion.

 

Zu den Einschüchterungs- und Kriminalisierungsversuchen gehörte als Einschüchterungsstrategie „das Bespitzeln von ganzen Dörfern in der Nähe des WAA-Geländes. Es ist schon vorgekommen, daß sich Landwirte auf den Weg zu ihren Feldern von Polizisten in Zivil anhalten, kontrollieren und fotografieren lassen mußten oder daß Landwirte bei der Arbeit vom Polizeihubschrauber fotografiert oder gefilmt wurden. Selbst nachts spioniert die Polizei unter dem Deckmäntelchen der ‚Gefahrenabwehr‘ in den Dörfern umher. Landwirte, die auswärtige WAA-Gegner aufnahmen und in der Scheune übernachten ließen, mußten Hausdurchsuchungen erdulden, bei denen dann Werkzeuge aus der Werkstatt beschlagnahmte und Krähenfüße im Heu gefunden wurden. Die betroffenen Landwirte sind fest davon überzeugt, ‚daß die selber die Sachen da hingetan haben, denn wenn du im Heu was versteckst, dann findet das ein Fremder nie‘.“

Einsatz der "Kreuzberger Prügelpolizisten" am 10.10.1987 (Foto von Hartmut Bartels und Wolfgang Nowak)

Körperliche Angriffe erlebten bisweilen sogar Pressevertreter und Sanitäter – etwa durch die berühmt-berüchtigt gewordenen "Prügelpolizisten" aus Kreuzberg.


In nicht wenigen Fällen handelte es sich bei den "Chaoten" nachweislich um agents provocateurs, die die Situation anheizen, polizeiliche und quasi paramilitärische Aktionen seitens der "Staatsorgane" legitimieren und dadurch die Anti-WAA-Bewegung in Misskredit bringen sollten.

„So fiel z.B. in Kölbldorf ein Zivilpolizist auf, so ein 40jähriger mit langem schwarzem Haar bis zum Ellbogen, der ausschaut wie ein Chaot‘. Er hatte bei einem Landwirt genächtigt. Als er am frühen Morgen die Scheune verließ und sich wohl unbeobachtet glaubte, hatte er ein Funkgerät aus der Tasche gezogen und konnte deshalb von Nachbarn enttarnt werden“. Selbst bei der Gründungsversammlung der Bürgerinitiative tauchten zwei Männer auf, die falsche Namen und fingierte Adressen angaben. Später stellte es sich heraus, dass es sich dabei ebenfalls um Zivis gehandelt hatte, die dort spionieren wollten. Der Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium des Innern, (…) verteidigte den Unterwanderungsversuch als ‚völlig legitim‘ und meinte betonen zu müssen, das sei ‚sogar Pflicht der Polizei‘.

Beim Münchner Redaktionsbüro des „SPIEGEL“ „meldete sich Ende 1985 ein Mann (...), der nach seinen eigenen Worten als V-Mann des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz tätig gewesen sei. In dessen Auftrag habe er Brandanschläge verübt und Bekennerbriefe geschrieben, die den Verdacht auf die linke Szene richten sollten. (…) Der „SPIEGEL“ hat, soweit dies möglich war“, seinerzeit „die Angaben (…) überprüft, um sicherzugehen, dass er keinem Phantasten aufsitzt. Dabei haben sich die Angaben (…) weitestgehend bestätigt. Lediglich sein letzter V-Mann-Führer gab vor, ihn nicht zu kennen, obwohl er vom „SPIEGEL“ bei einem Treffen mit dessen Gewährsmann „observiert worden war. Bei diesem Treffen ging es darum, dass“ der V-Mann „nach Regensburg umziehen sollte, um die BIWAK, die dortige Bürgerinitiative gegen die WAA zu unterwandern‘“.