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Eher vereinzelt gab es dabei andererseits aber auch Polizisten (Siehe Bild oben von Herbert Baumgärtner), die sich von den Polizeiaktionen und der Politik der bayerischen Staatsregierung distanzierten. So mancher hatte dafür die Folgen zu tragen und verlor unter Umständen sogar die Arbeit. Insgesamt waren in Wackersdorf nach Auskunft des ehemaligen Schwandorfer Landrats Schuierer etwa 4000 Strafverfahren gegen WAA-Gegner anhängig, während kein einziger Übergriff seitens der Polizei strafrechtlich verfolgt wurde.

Immer wieder wurde dagegen seitens der bayerischen Staatsregierung mit Mitteln des Beamtenrechts versucht, Demonstranten und andere Anti-WAA-Aktivisten zu disziplinieren, einzuschüchtern und mundtot zu machen, so Herbert Brekle (Universitätsprofessor und lokaler BN-Vorsitzender in Regensburg), Dieter Kirpal und Reinhard Hese (Gymnasiallehrer in Nittenau bzw. Weiden), Studiendirektor Karl Kirch (Nabburg) sowie Toni Plommer (Grundschullehrer in Schwandorf). Diese Verfahren wurden jahrelang verschleppt und schließlic h sang- und klanglos eingestellt. Der katholische Pfarrer und Religionslehrer in Nittenau, Leo Feichtmeier, bekam die Konsequenzen seines Anti-WAA-Engagements zu spüren, als das bayerischen Kultusministeriums ihm ein Disziplinarverfahren anhängte und er später drei Stunden lang vom Verwaltungsrichter verhört wurde. Zudem wurde er dazu gedrängt, seinen Heimatort Nittenau zu verlassen und die Jahre bis zu seiner Pensionierung im 80 Kilometer entfernten niederbayerischen Dingolfing zu arbeiten. Gegen Herbert Brekle, Professor für Allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Regensburg, seit 1972 Stadtrat in der oberpfälzischen Metropole, Mitglied des oberpfälzischen Bezirkstages und stellvertretender Kreisvorsitzender
des Bundes Naturschutz Regensburg, erließ das bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst eine Disziplinarverfügung wegen Verletzung der Dienstpflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung. Brekle hatte sich schuldig gemacht, „drei Wochen nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl in der zuletzt genannten Funktion bei Brennberg im Landkreis Regensburg einen Mahnstein gegen die Wiederaufbereitungsanlage“ zu enthüllen“. Brekle selbst hat die Maßregelung aus München nicht sonderlich beeindruckt, nicht einmal dazu animiert, per Gericht dagegen vorzugehen. Der Aufwand für einen solchen Schritt wäre ihm zu hoch gewesen und hätte nur den Fortgang seiner wissenschaftlichen Arbeiten beeinträchtigt. „Was bleibt, ist ein einfacher Fall von zivilem Ungehorsam‘, hieß es in seiner Erklärung“. Daneben versuchte man auch einzelne Vertreter der Rechtsprechung, sobald diese sich als WAA-Gegner outeten, zum Schweigen zu bringen. So wurde der Richter Fritz Burkhardt am 01. Juli 1983 von Schwandorf nach Traunstein zwangsversetzt. Der Amberger Richter Wilhelm wurde wegen eines satirischen Flugblattes zum Erörterungstermin am 07. Februar 1984 vom Nürnberger Generalstaatsanwalt Kurt Pfeiffer mit einem sich langjährig hinziehenden Disziplinarverfahren überzogen, das erst Ende der 1980er Jahre eingestellt wurde.


Auch über die Grenzen des Freistaates Bayern hinaus Aufsehen erregte das Vorgehen der Landesregierung, als der Schwandorfer SPD-Landrat und WAA-Gegner Hans Schuierer entmachtet wurde. Dieser hatte sich aus Gewissensgründen den obrigkeitlichen Anordnungen zunehmend widersetzt, die Pläne für die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf zu unterschreiben, 51 bis dies von der bayerischen Staatsregierung mit der nach ihm benannten „Lex Schuierer“ umgangen wurde. Diese „Lex Schuierer“ (Art. 3b Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz) regelt den „Selbsteintritt der Verwaltung“. Das bedeutet, dass der Freistaat für den Fall, dass das Landratsamt als Staatsbehörde nicht in ihrem Sinne tätig wird, selbst diese Aufgaben übernimmt. Nach Inkrafttreten des Gesetzes im Oktober 1985 erteilte die Regierung der Oberpfalz die erforderlichen wasser- und baurechtlichen Genehmigungen zum Bau der WAA. Der überaus populäre SPD-Landrat Schuierer, der im Verlauf der Auseinandersetzungen mit 70 Prozent der Wählerstimmen seines Wahlkreises wiedergewählt wurde, wurde wegen seiner Haltung von der vorgesetzten Behörde immer wieder angegriffen und mit 18 Anklagen und mehreren Disziplinarverfahren überzogen, die erst Ende der 1980er Jahre, als die WAA-Pläne endgültig beseitigt waren, eingestellt wurden.